Botulismus
Als Botulismus bezeichnet man eigentlich eine lebensbedrohliche Fleisch- oder Wurstvergiftung beim Menschen, denn das lateinische Wort „botulus“ bedeutet schlicht „Wurst“. Jetzt verzehren Pferde aber nun mal keine Fleischwaren. Wie können sie trotzdem an Botulismus erkranken?
Die Vergiftung wird durch ein spezielles Bakterium ausgelöst, das erstmals 1896 in Schinkenresten nachgewiesen wurde. Daher der Name. Dieses Bakterium namens „Clostridium botulinum“ produziert einen Giftstoff bzw. ein Neurotoxin, also ein Nervengift, das speziell Nervenzellen und Nervengewebe angreift. Dieses Toxin ist das stärkste aller bekannten Bakterientoxine und hemmt die Befehlsübertragung von der Nervenzelle zum Muskel. Der Muskel kann sich dadurch nur noch wenig bis gar nicht mehr zusammenziehen.
Clostridien gehören zu den sogenannten „Sporenbildnern“. Die Sporen dieses Bakteriums sind in der Umwelt allgemein verbreitet. Es kann sowohl in seiner aktiven Form als auch in der sporenbildenden Form existieren und lange Zeit unter schwierigsten Bedingungen in der Umwelt überleben. Die widerstandsfähigen Dauerformen bleiben im Erdreich lange Zeit vermehrungsfähig und auch ansteckend. Dieses weit verbreitete Bakterium bezieht seine Nährstoffe aus verwesenden Tieren und Pflanzenmaterial, das auf oder in der Erde vorkommt, wobei das Bakterium an sich nicht infektiös ist, die starken Neurotoxine, die es produziert, dagegen schon.
Die Sporen fühlen sich in einer eiweißreichen, feuchten und sauerstoffarmen Umgebung am wohlsten und beginnen auszukeimen. Spezielle Futtermittel für Pferde, wie beispielsweise Silage, bieten dem Bakterium diese speziellen Lebensbedingungen.
Ein Pferd kann auf zwei verschiedene Arten an Botulismus erkranken: entweder hat es die Bakterien oder Sporen direkt über das Futtermittel aufgenommen, oder sie haben durch eine Wunde den Weg in den Körper gefunden. Auch in einer Wunde können sich die Bakterien vermehren und ihr Nervengift ausschütten, daß dann in die Blutbahn gerät. Das kommt bei Pferden aber eher selten vor.
Am häufigsten erfolgt die Aufnahme des Neurotoxins über Futtermittel wie Silage oder Heu, daß mit Kadavern kontaminiert ist. Auch kontaminiertes Wasser kann die Ursache sein.
Die Inkubationszeit bei Botulismus kann zwischen 24 Stunden und einer Woche dauern. Die auffälligsten Symptome sind eine starke Lähmung, Atemnot und Festliegen. Man beobachtet häufig ein Muskelzittern und allgemeine Schwäche. Manchmal treten die Symptome sofort auf, in anderen Fällen entwickeln sie sich langsam schleichend über mehrere Tage hinweg. Meist entwickeln sich die Symptome von der Hinterhand aus und schreiten dann Richtung Kopf fort, bis es auch zu einer Lähmung der Kiefer- und Halsmuskulatur kommt. Dann erschlafft auch die Zunge und Schluckbeschwerden sind die ersten Anzeichen, die dem Halter auffallen. Obwohl das Pferd immer noch einen normalen Appetit hat, spuckt es Futter und Wasser wieder aus oder es fließt durch die Nüstern wieder ab, weil das Pferd die Nahrung nicht mehr richtig schlucken kann. Oft verschluckt es sich auch wobei dann Futterpartikel in die Lunge gelangen, die dann eine Lungenentzündung auslösen können.
Neben der gelähmten Zunge und den Schluckbeschwerden sind auch erweiterte Pupillen und ein verzögerter Pupillenreflex ein klassisches Zeichen für Botulismus.
Gefährlich wird es, wenn die Lähmung die Muskulatur der Atemwege erreicht hat. Anfänglich legen sich die Pferde erst in Brustlage auf den Boden und betten ihre Nüstern zwischen die Beine. Ist die Lähmung fortgeschritten, liegen sie mit gestrecktem Hals und Kopf komplett auf der Seite, um besser atmen zu können. Die vollständige Lähmung der Atemmuskulatur bedeutet dann den Tod für die betroffenen Pferde. Deshalb ist eine frühzeitige Diagnose lebensnotwendig.
Mit einem Antitoxin kann der Tierarzt das Pferd retten. Allerdings klappt das nur in der Anfangsphase der Erkrankung, wenn das Pferd noch steht. Die Heilungschancen verschlechtern sich dramatisch, sobald das Pferd festliegt und nicht mehr alleine aufstehen kann.
Für viele Pferde endet diese Krankheit tödlich weshalb eine Früherkennung besonders wichtig ist. Auch sollte der Tierhalter dafür Sorge tragen, eine Infektion gar nicht erst geschehen zu lassen. Das fängt bei frischem Wasser und trocken gelagertem Futter an. Oft werden versehentlich bei der Heuernte kleine Nager wie Mäuse mit in den Ballen gepresst, deren kleine Kadaver dann ein wunderbarer Nährboden für die gefährlichen Bakterien sind. Auch die Zubereitung und Lagerung von Silage sollte immer streng nach Vorschrift erfolgen, denn sie bietet ideale Bedingungen für die Vermehrung der Bakterien und scheint auch die häufigste Quelle für Botulismus zu sein. Wenn es um die Ernährung seines Pferdes geht, sollte man nie zu stolz sein, einen Fachmann zu Rate zu ziehen.
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