Verhalten
Pferde verhalten sich in jeder Situation rein instinktiv.
Als Mensch sollte man sich bei der Haltung und beim Umgang mit seinem Pferd immer daran erinnern,
daß das Pferd ein Herden- und ein Fluchttier ist und bestimmte unerwünschte oder sogar als bösartig
angesehene Verhaltensweisen des Pferdes immer menschengemacht sind und die Schuld dafür lieber zu erst
bei sich selber suchen.
Pferde in menschlicher Obhut fristen ihr Dasein ganz anders als ihre wilden Verwandten in freier Natur.
Auch wenn der Mensch sich noch so viel Mühe gibt, es artgerecht zu halten und nett zu seinem Pferd zu sein,
sollte er immer im Hinterkopf behalten, daß sein Pferd trotz jahrtausendelanger Domestizierung immer noch
ein instinktgesteuertes, fluchtbereites Herdentier ist, daß jederzeit auf seine Instinkte vertraut,
die tief in ihm verwurzelt sind.
Eine unbehelligte Herde Wildpferde in freier Natur besteht aus einem dominanten Hengst, mehreren Stuten
und ihren Jungtieren.
Ältere Stuten bewachen die Herde auf den äußeren Plätzen und halten Ausschau nach Gefahren und Bedrohungen.
An der Spitze der Hierarchie steht in der Regel eine Leitstute, die ihre Herde von einer Weide zur
nächsten und zu Wasserstellen führt.
Die Aufgabe des Hengstes ist es, von hinten die Herde zusammen zu halten und darauf zu achten,
daß niemand aus seiner Familie verloren geht.
Die dominanteren Muttertiere sind für die Erziehung der Jungtiere zuständig.
Wagt es ein Fohlen, sich respektlos einem ranghöherem Tier zu verhalten, wird es mit einem Tritt oder
schnellen Biß zur Ordnung gerufen.
Irgendwann kommt dann der Tag, an dem die Junghengste ohne ihre Mütter klar kommen müssen und der
Leithengst sie nicht mehr in seiner Herde duldet, da sie ihm bald Konkurrenz machen würden.
Also versucht er sie ziemlich brutal zu vertreiben, was nicht immer gelingt, denn manche Junghengste
kämpfen verbissen um das Recht in der Herde bleiben zu dürfen und ihrerseits den amtierenden Leithengst
zu vertreiben um dann die Herde zu übernehmen.
Diese Hengstkämpfe sind bisweilen so erbittert, daß einer der beiden Widersacher stirbt.
Meistens jedoch gibt einer der beiden Kämpfenden früh genug auf, bevor es zu ernsthaften Verletzungen
kommt und verlässt die Herde.
Wenn zwei Hengste nicht gerade um die Vorherrschaft in einer Herde kämpfen, sind Pferde von Natur aus
eigentlich nicht aggressiv.
Ihr erster Gedanke ist es, wegzurennen, beziehungsweise so viel Abstand wie möglich zwischen sich und die
vermeintliche Gefahr zu bringen, wenn sie sich bedroht fühlen oder Angst haben.
Drängt man sie allerdings in die Enge, kann es passieren, daß sie mit einem Gegenangriff antworten,
um sich aus dieser unangenehmen Situation wieder zu befreien.
Dabei setzen sie Hufe und Zähne zur Verteidigung ein.
„Pferdeküsse“, also Hämatome, die durch Tritte und Bisse eines Pferdes entstehen, sollte der Mensch gerade
ungünstig im Weg gestanden haben, sind sehr schmerzhaft und können gerade bei Tritten, je nachdem,
an welcher Stelle des Körpers man getroffen wurde, zu schweren und bleibenden Verletzungen führen.
Um von einem Pferd getreten zu werden muß man nicht Teilnehmer eines Rodeos sein.
Das kann genauso gut beim Putzen und Satteln passieren.
Als Mensch, der mit und am Pferd arbeitet, sollte man die Zeichen erkennen.
Die meisten Pferde sind nämlich so nett, vorher zu warnen, bevor sie den Menschen maßregeln.
Wenn man zum Beispiel etwas tut, was das Pferd nicht gern hat oder sogar weh tut;
und das Pferd keine Möglichkeit hat wegzulaufen, weil es angebunden ist, droht es erst einmal,
indem es das Bein deutlich anhebt.
Ignoriert man die Warnung, kann man gar nicht so schnell wegspringen, wie der Huf angeschossen kommt.
Viele Pferde zielen und drohen nicht nur, sie treffen auch.
Man kann nicht nur getroffen werden, wenn man hinter dem Pferd steht, sie können auch zielgenau seitlich
austeilen und das blitzschnell.
Zu den Verteidigungsmaßnahmen gehört außer Treten und Beißen auch das Buckeln.
Wird ein Wildpferd beispielsweise von einem Wolf angegriffen, bleibt als letzte Maßnahme nur noch das
Buckeln, weil der Wolf bei der Jagd auf den Rücken des Pferdes springt, um es dann in Hals und Rücken zu
beißen.
Um das Raubtier von da oben schnell wieder los zu werden, versucht das Pferd hin und her zu springen zu
bocken und zu buckeln.
Dasselbe Verhalten kann man bei jungen oder noch rohen Pferden beobachten, wenn man sie zu ungestüm und
ungeduldig einreiten will.
Man muß Pferde immer langsam und sehr geduldig an neue Sachen und vor allem an Sattel und Zaumzeug gewöhnen.
Denn auch der Mensch ist in den Augen des Pferdes nichts anderes als ein Raubtier.
Hat dieses spezielle, zweibeinige Raubtier nicht genug Zeit mit dem Pferd verbracht und will ihm zu
schnell und zu energisch seinen Willen aufzwingen, wird ihm von Seiten des Pferdes dieselbe Behandlung
zuteil wie dem Wolf!
Da machen seine Instinkte keine Unterschiede.
Als Mensch sollte man daher immer versuchen, nicht wie ein Wolf daher zu kommen und lieber etwas mehr
Zeit investieren, um erst einmal ein Freund zu werden, bevor man sich auf seinen Rücken schwingt nur
um stolz ein 500-Kilo-Tier beherrschen zu wollen.
Will man aus seinem Freund ein Reitpferd machen, muß man es langsam an einen Sattel und das ungewohnte
Gewicht auf seinem Rücken gewöhnen.
Sein erster Impuls wird sein, das schwere, störende Ding abzuwerfen, denn eigentlich hat ja nichts und
niemand etwas hinter seinem Kopf, wo es nichts sieht und schon gar nicht auf seinem Rücken zu suchen.
Man muß also sehr vorsichtig und geduldig aber zielstrebig bei der Sache bleiben.
Man darf nie die Geduld verlieren oder wütend werden, wenn etwas nicht sofort klappt, denn bei der
Pferdeerziehung wird niemals etwas auf Anhieb funktionieren.
Hat das Pferd sich irgendwann an Sattel und sogar den Reiter auf seinem Rücken gewöhnt,
muß der Mensch dem Pferd helfen, seine Fluchtinstinkte zu beherrschen.
Ist der Mensch ein Freund, dem das Pferd vertraut, wird es durchaus von ihm lernen und sich an
seinem Verhalten orientieren.
In der Natur übernehmen ältere Pferde die Aufgabe des Lehrers.
Das kann man sich bei der Erziehung seines Reitpferdes zu Nutze machen, indem man ältere,
erfahrenere Pferde einsetzt, um sein eigenes Pferd an neue Sachen zu gewöhnen.
Die Umgebung unserer heutigen Hauspferde ist trotz verschiedenster Möglichkeiten der Haltung eine völlig
andere, als die ihrer freien, wilden Artgenossen.
Auch in unseren Zucht-, Reit-, Sport- und Arbeitspferden sind immer noch ihre ursprünglichen
Verhaltensweisen und Instinkte fest verankert.
Die hat der Mensch trotz Jahrhunderte langer Domestizierung nicht weg züchten können.
Deshalb sollte sich der Mensch, der sich mit Pferden beschäftigt oder sie sogar sein Eigen nennt,
immer mit dem natürlichen Verhalten seines Pferdes auseinander setzen und auf seine besonderen
Bedürfnisse eingehen und versuchen, ihnen Gerecht zu werden.
Ein Pferd verhält sich niemals mit Absicht „bösartig“.
Untugenden wie Treten gegen die Stallwände, Steigen, Bocken, Kleben, Koppen, Pullen oder Weben entstehen
immer durch falsches Verhalten seitens des Menschen, denn Verhaltensstörungen wie Weben oder Koppen gibt
es bei wild lebenden Pferden nicht.
Die Ursache solcher Verhaltensweisen sind meist Instinkte oder Bedürfnisse, denen das Pferd nicht
nachgehen kann.
Mangelhafte Haltungsbedingungen oder falscher Umgang mit dem Pferd können ebenfalls Ursachen dafür sein,
ebenso wie Bewegungsmangel, Langeweile, Kontaktarmut oder seelische Vereinsamung.
Auslöser für aggressives Verhalten wäre zum Beispiel, wenn der Mensch kein Auge dafür hat,
ob und wie sich Pferde untereinander vertragen.
Wenn man zwei Pferde zu dicht nebeneinander wohnen läßt oder sie sogar zusammen stellt,
obwohl sie einander überhaupt nicht leiden können, wird eines der beiden irgendwann anfangen das andere
zu dominieren, zu mobben und zu ärgern.
Solche Pferde reagieren dann auch gerne aggressiv dem Menschen gegenüber.
Dasselbe gilt für maßloses und grundloses Vollstopfen mit Leckerlis oder eine rohe und unsensible
Behandlung beim Beschlagen oder Reiten.
Widersetzt sich das Pferd nämlich vehement unter seinem Reiter ist dies nicht automatisch auf den
Charakter des Pferdes zurück zu führen, sondern dann sollte man mal zuerst auf Fehlersuche bei der
Sattlung oder Zäumung gehen.
Vielleicht sind Sattel oder Gebiß unpassend und tun weh!
Es kann auch sein, daß man sein Pferd leistungsmäßig gerade überfordert oder grobe und falsche Hilfen
gibt, die dem Pferd Schmerzen in Rücken und Maul zufügen.
Nicht alle Pferde sind so gebrochen, daß sie die Mißhandlungen stoisch über sich ergehen lassen und
sie einfach ertragen.
Manche Pferde wollen sich wehren und wissen sich einfach nicht anders zu helfen als zu Buckeln,
zu Steigen und zu Pullen.