Incitaus
des Kaisers Lieblingspferd
Die Liebe und Begeisterung zu einem bestimmten Pferd ist kein Phänomen der Neuzeit.
Man, bzw. wohl eher Frau kennt das bestimmt:
Da wird für den auserwählten Liebling nur das erlesenste Futter, die kuscheligsten Decken, der schönste Sattel,
das geschmeidigste Zaumzeug, das beste Putzzeug und die ausgefallensten Pflegeprodukte gekauft und natürlich
ist alles farblich miteinander abgestimmt.
Im alten Rom aber gab es einst einen Kaiser, der bis heute alles und jeden in den Schatten stellt,
wenn es um Fürsorge oder Obsession für sein Lieblingspferd geht; und zwar ging das so weit, daß ihm dies in den
Geschichtsbüchern als Beweis für seinen Wahnsinn ausgelegt wird.
Er war nämlich ein ziemlich tyrannischer, arroganter, sadistischer und zynischer Machtmensch, was ihn allerdings
nicht daran hinderte, ganz besonders lieb zu seinem Lieblingspferd zu sein.
Die Rede ist hier vom römischen Kaiser Gaius Caesar Augustus Germanicus, der Nachwelt besser bekannt als
Caligula (12 - 41).
Caligula regierte das Römische Reich von 37 bis 41 und war der Onkel des berühmt-berüchtigten
Kaisers Nero,
der es ebenfalls mit hauptsächlich negativen Einträgen in die Geschichtsbücher geschafft hat.
Doch zurück zu Caligula.
Auch seine recht kurze aber intensive Regierungszeit stand, wie bei so vielen anderen Kaisern auch,
unter dem Motto:
„panem et circenses“ (Brot und Zirkusspiele), womit nicht nur die immer brutaler und blutiger werdenden
Gladiatorenkämpfe gemeint waren, sondern auch die berühmten Wagenrennen.
Zu Caligulas Zeit gab es in Rom vier große Rennställe bzw. Zirkusparteien:
„Prasina“ (die Grüne), „Veneta“ (die Blaue), „Russata“ (die Rote) und „Albata“ (die Weiße).
Caligula war ein Fan der Grünen Zirkuspartei, die er nach Kräften unterstützte, denn aus ihrem Stall kam das
Rennpferd „Incitatus“, von dessen sportlichen Leistungen der Kaiser mehr als angetan war.
Dieses besondere Pferd musste gefördert werden und wenn man ein Kaiser ist, der über unbegrenzte Mittel verfügt,
lassen sich die ausgefliptesten Dinge realisieren, ganz egal, was der Senat, der Pöbel oder die Nachwelt davon
zu halten gedenkt.
Caligula begnügte sich nämlich nicht damit, bei dem Pferd auf eine ausgewogene Ernährung zu achten oder seinem
Liebling nach jedem Training ein Extramöhrchen zu gönnen.
Seine Fürsorge nahm höchst seltsame und immer bizarrere Ausmaße an.
So residierte Incitatus beispielsweise in seinem eigenen Palast ausgestattet mit kostbaren Möbeln und
Futterkrippen aus Elfenbein und Marmor.
Um sein leibliches Wohl kümmerte sich nicht bloß ein schnöder Stallbursche, sondern gleich eine ganze Armee
von Bediensteten.
Die hatten auch ordentlich zu tun, denn das Pferd musste nicht nur gestriegelt und gebürstet, sondern auch
standesgemäß geschmückt und herausgeputzt werden.
So wurde Incitatus, was übrigens soviel wie „Heißsporn“ heißt, aber auch mit „erregt, lebhaft oder schnell“
übersetzt werden kann, mit Ketten aus Perlen und den schönsten Edelsteinen behangen.
Er besaß sogar einen mit Purpur eingefärbten Sattel.
Diese Farbe war normalerweise nur dem Herrscher vorbehalten, da sie zu dieser Zeit unglaublich teuer und schwer
zu beschaffen war.
Doch für Incitatus war dem Kaiser nichts zu teuer.
Er ließ das Pferd sogar auf kuschelig weichen Decken schlafen, die im schönsten Purpur erstrahlten oder ließ es
damit eindecken.
Diversen Quellen zufolge bekam der verwöhnte Gaul sogar goldfarbene Gerste und Haferflocken zu fressen,
denen zusätzlich hauchdünne Flocken aus Blattgold beigemischt waren.
Des weiteren kredenzte man ihm den erlesensten Wein in goldenen Kelchen und man servierte ihm angeblich Mäuse,
Tintenfische, Muscheln und Hühnchen!
Es ist nichts über das weitere Schicksal dieses Pferdes bekannt, da es nur als Beweis für den Wahnsinn seines
erlauchten Gönners in den Annalen der Geschichte auftaucht.
Aber angesichts dieses wahnwitzigen Speiseplans, wird die nächst beste Kolik wohl die seine gewesen sein und
sein Schicksal besiegelt haben.
Der bekloppte Speiseplan war aber noch längst nicht alles.
Angeblich nächtigte der Kaiser vor jedem Rennen höchstpersönlich neben Incitatus und ordnete eine strickte
stadtweite Ruhe an, die unter Todesandrohung nicht gebrochen werden durfte, damit der Champion sich gut
ausruhen und konzentriert an der Start gehen konnte.
Selbstverständlich wurden auch die Straßen geräumt, wenn man Incitatus zum Stadion brachte, um ihn ja nicht in
seiner Konzentration zu stören.
Dieses außergewöhnliche Rennpferd soll nur ein einziges Rennen verloren haben.
Da Caligula den siegreichen Wagenlenker dieses besagten Rennens allerdings stante pede hübsch langsam
hinrichten ließ, um sicher zu gehen, daß er auch litt und noch Zeit hatte, sich darüber Gedanken zu machen,
was ihn denn geritten hatte, ein Rennen bei dem des Kaisers Liebling antrat, unbedingt gewinnen zu wollen,
wird das wohl allen übrigen Wagenlenkern eine Lehre gewesen sein und sie taten ihr Bestes, künftig nicht mehr
als den zweiten Platz anzustreben.
Die Krönung der Karriere dieses erlauchten Pferdes sollte ein Sitz im Senat werden.
Hier streiten sich die Gelehrten, ob diese Ernennung nur ein weiterer Beweis für den Wahnsinn des
tyrannischen Kaisers war, oder ob es nur eine weitere Spitze seitens des Kaisers in Richtung des Senates
gewesen ist.
Frei nach dem Motto:
„Ihr seid alle unfähig, ein Pferd könnte euren Job besser machen.“
Wie dem auch sei - er hat es tatsächlich gesagt.
Caligula hatte für sein verwöhntes Lieblingspferd Incitatus im Jahre 42 einen Sitz im Senat vorgesehen.
Vielleicht war das der ausschlaggebende Punkt, warum Caligulas Herrschaft im Jahre 41 mit einem Dolch vorzeitig
beendet wurde.
Da man zu der Zeit gerne das Andenken eines verhassten Herrschers zerstörte und sämtliche Statuen und Büsten
zerschlug und sogar Münzen mit dem wenig geliebten Konterfei aus dem Verkehr zog und einschmolz, bleibt nur zu
hoffen, das dem armen Pferd ein ähnliches Schicksal erspart blieb und es auch nach dem Tod seines Gönners noch
eine Weile am Leben bleiben durfte.
Selbst wenn man ihn aus seinem prunkvollen Palast ausquartiert hatte und ihm seine Diener,
die schönen Decken und den Schmuck weg nahm, so könnte man sich für Incitatus ein schlimmeres
Schicksal vorstellen, als ein Leben auf einer grünen Wiese mit anderen Pferden statt zwischen Marmor und
Elfenbein und einer Herde menschlicher Diener.
Text: Nadja von der Hocht
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Foto: Zeichnung von Caligula und Incitatus von Jean Victor Adam (1801-1867)
Victor Adam, Public domain, via Wikimedia Commons
Foto: Mosaik der vier Zirkusparteien
Miguel Hermoso Cuesta, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Foto: „Wagenrennen“, 1876, Art Institute of Chicago, von Jean-Léon Gérôme (1824-1904)
Jean-Léon Gérôme, Public domain, via Wikimedia Commons