Marengo

Das Kriegspferd Napoleon Bonapartes


Napoleon I. auf Marengo, Gemälde von Jean-Louis-Ernest Meissonier, 1862 Zwischen 1798 und 1801 trieb sich der große, aber körperlich ziemlich kurz geratene Feldherr Napoleon Bonaparte, später auch bekannt als Napoleon I. mit seiner Armee in Ägypten herum, mit dem Ziel das Land von der osmanischen Herrschaft zu befreien. Während dieses Ägyptenfeldzuges, in den Geschichtsbüchern auch bezeichnet als „Ägyptische Expedition“ stand der kleine Korse nicht nur andächtig wie viele, viele Reisende nach ihm vor den noch nicht ausgebuddelten Pyramiden und der Sphinx, sondern entdeckte dort auch die Schönheit und Vorzüge arabischer Pferde.
Zwischen diversen geschichtsträchtigen Seeschlachten und Feldzügen hatte Napoleon tatsächlich noch Zeit, sich ein bißchen im Land umzusehen und so wurde er in dem Gestüt El Naseri auf einen kleinen Schimmelhengst aufmerksam, der mit seinen 1,45 Metern Stockmaß streng genommen eigentlich als Pony gelten sollte, für den knapp bemessenen Eroberer allerdings genau die richtige Größe hatte.

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Der stolze kleine Araberhengst Marengo Der kleine und noch namenlose Hengst war bereits sechs Jahre alt, als er in den Besitz des ehrgeizigen Korsen überging und nun eines seiner Kriegspferde werden sollte.
Seine erste Bewährungsprobe bekam der kleine Araber am 14. Juni 1800, als er von Bonaparte für die Schlacht bei Marengo als Reitpferd ausgewählt wurde. Hier zeigte sich, daß er nicht nur hübsch war und somit würdig, seinen Reiter auf Gemälden gut aussehen zu lassen, sondern er erwies sich während des Gemetzels gegen die Österreicher auf dem Schlachtfeld ebenfalls als ungewöhnlich zuverlässig, mutig, schußfest, geschickt und schnell.
Bonaparte in der Schlacht von Marengo Nach dem erbitterten, aber am Ende siegreichen Gefecht für Napoleon bei der er Oberitalien wieder unter französische Kontrolle brachte, benannte er sein kleines, tapferes Streitroß nach der Schlacht (Schlacht bei Marengo), bei der der mutige Schimmelhengst sich als so furchtlos erwiesen hatte. Denn im Laufe des Scharmützels traf Marengo ein Streifschuß, der ebenfalls Napoleons Stiefel erwischte und trotz der Verwundung erfüllte Marengo treu und zuverlässig weiter seinen Dienst und beendete mit seinem Herrn auf dem Rücken erfolgreich den Tag auf dem Schlachtfeld.
Gleich im Anschluß an dieses für Marengo erste erfolgreich überstandene Scharmützel wurde der diensteifrige, kleine Schimmel noch für einige weitere große Schlachten als Streitroß auserwählt, deren Ausgang für die Geschichte Europas von weitreichender Bedeutung werden würden.
Am 2. Dezember 1805 trug er seinen die Weltherrschaft anstrebenden Reiter während der berühmten Schlacht von Austerlitz, wo der bodennahe, aber stets nach den Sternen greifende Korse, der sich mittlerweile selbst zum Kaiser der Franzosen gekrönt hatte, eine Allianz aus österreichischen und russischen Truppen besiegte.
Ein knappes Jahr später, am 14. Oktober 1806, fand sich der weitgereiste, arabische Schimmelhengst erneut im Schlachtengetümmel wieder. Diesmal bei der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt, wo zur Abwechslung mal der preußischen Armee eine schwere Niederlage erteilt wurde. Danach durfte Marengo mal ein bißchen von den Kämpfen pausieren und Napoleon griff für seine weiteren „Unternehmungen“ auf einige seiner über 130 weiteren Kriegspferde zurück. Möglich, daß Marengo sich in dieser Zeit von der ein oder anderen Verletzung erholen musste, denn er wurde während seiner Zeit als aktives Kriegspferd des französischen Kaisers nicht weniger als achtmal in der Schlacht verwundet.
Napoleon mit Marengo am Schlachtfeld von Wagram In der Schlacht bei Wagram, am 5. und 6. Juli 1809 wurde er allerdings wieder in Dienst genommen und befand sich erneut auf der Seite der Gewinner als die französischen Truppen die österreichische Armee unter der Führung von Erzherzog Karl von Österreich in der Nähe von Wien besiegten und damit gleichzeitig den Fünften Koalitionskrieg beendeten.
Napoleons Glückssträhne endete mit dem Russlandfeldzug 1812, der als eine der größten militärischen Katastrophen in die Geschichte eingehen sollte. Auch auf diesem Feldzug war es Marengo, der Napoleon durch das schneevereiste Russland trug. Der kleine Araber, der eigentlich ganz andere Temperaturen gewohnt war, überlebte auch diese Kämpfe und vor allem das Wetter. Auf dem schmachvollen Rückzug rutschte Marengo allerdings unglücklich aus, worauf sein ohnehin schon geknickter Reiter den Halt verlor und aus dem Sattel purzelte. Der gescheiterte Eroberer fand sich unverhofft nun völlig am Boden wieder, was dem bereits verletzten Stolz des erfolgsverwöhnten Feldherrn einen weiteren Schlag verpaßt haben dürfte.
Ob sich Marengo bei dem Ausrutscher so sehr verletzt hatte, daß er längere Zeit nicht mehr reitbar war, oder ob es am verletzten Stolz des nun sehr bodennahen und nachtragenden Kaisers lag, steht nicht geschrieben. Der Sturz hatte aber zur Folge, daß Napoleon sein treues Streitroß längere Zeit nicht mehr ritt. Da hatte sich der kampferprobte Schimmel jahrelang als mutig und zuverlässig erwiesen und dann passiert ihm ein kleines Mißgeschick und schon wandte sich sein Reiter beleidigt von ihm ab...
Napoleon nahm Marengo nicht mal mit in sein erstes Exil auf die Insel Elba, als er 1814 als Kaiser der Franzosen abdanken musste. Ganz im Gegensatz zu einigen seiner übrigen Kriegspferde, die Napoleon ins Exil begleiteten und die auf der Insel besonders verwöhnt wurden.
Die Zeit auf Elba währte allerdings nicht lange. Nur ein Jahr später wurde es dem Ex-Kaiser so ganz ohne Eroberungen und Feldzüge auf der Insel wohl zu langweilig und er floh aus dem Exil und kehrte voller Tatendrang nach Frankreich zurück, wo Marengo schon auf ihn wartete.
Er sollte allerdings nur noch ein einziges Mal von Napoleon geritten werden, nämlich bei der letzten Schlacht des kleinen Korsen: der Schlacht von Waterloo. Im Verlaufe dieser Schlacht erlitt Marengo eine Verwundung an der Lende, worauf Napoleon das Pferd wechseln musste. Marengo wurde abgesattelt und die Stute „Marie“ trug den starrsinnigen Feldherrn seinem Untergang entgegen.
Der verletzte Marengo irrte indes auf dem Schlachtfeld umher, wo er nach der Schlacht von englischen Soldaten erbeutet wurde. Lord Petre erkannte das kaiserliche Brandzeichen auf Marengos Flanke und bewahrte den tapferen Hengst davor, als Fleischlieferant zu enden. Er brachte Marengo als Kriegsbeute nach England, wo er gesund gepflegt wurde und sich sehr schnell erholte.
Marengos Skelett im National Army Museum in London, November 2011 Marengos Skelett installiert in der Kuppel des Invalidendoms in Paris, Februar 2022 Eine Zeitlang wurde das verdiente Kriegspferd Napoleons als öffentliche Attraktion zur Schau gestellt, bis er an General William Angerstein verkauft wurde, der die Idee hatte, mit dem kleinen Araber schnelle Rennpferde zu züchten, denn schließlich stand Marengo in dem Ruf, eine Strecke von 129 Kilometern in nur fünf Stunden zurücklegen zu können.
Leider waren die Zuchtversuche nicht von Erfolg gekrönt, denn keines der Fohlen, die Marengo mit englischen Stuten zeugte, erzielten auf der Rennbahn gute Zeiten. So wurde er wieder aus der Zucht genommen und durfte stattdessen seinen Lebensabend auf dem Landgut seines neuen Besitzers genießen.
Marengo hatte mittlerweile seinen alten Herrn überlebt, denn Napoleon, der bei Waterloo ohne seinen treuen Kampfgefährten vom Schlachtfeld fliehen musste, war währenddessen, in seinem endgültigen Exil auf der Atlantikinsel St. Helena, auf den die Briten ihn als Kriegsgefangenen verfrachtet hatten, am 5. Mai 1821 verstorben.
Marengo überlebte Napoleon um ganze 10 Jahre, die er in der Obhut der pferdefreundlichen Briten verdienterweise in Ruhe und Frieden auf grünen Weiden verbringen durfte, bis auch er im Jahre 1831 im gesegneten Alter von 38 Jahren starb.
Nach seinem Tod enschied Genaral Angerstein das Skelett des Pferdes auszustellen. Auch die beiden Vorderhufe behielt er als Andenken zurück und ließ sie mit Gold und Silber verziert, in Schnupftabakdosen umarbeiten.
Das Skelett Marengos wird bis heute in verschiedenen Museen ausgestellt, wo man es unterschiedlich präsentiert bewundern darf.

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Text: Nadja von der Hocht

Bild: Napoleon I. auf Marengo, Gemälde von Jean-Louis-Ernest Meissonier, 1862
Walters Art Museum, Public domain, via Wikimedia Commons

Bild: Gemälde: Araberhengst „Marengo“
Antoine-Jean Gros, Public domain, via Wikimedia Commons

Bild: Gemälde: Bonaparte in der Schlacht von Marengo
Alphonse Lalauze, Public domain, via Wikimedia Commons

Bild: Gemälde: Napoleon am Schlachtfeld von Wagram (Sammlung Schloß Versailles)
Horace Vernet, Public domain, via Wikimedia Commons

Foto: Marengos Skelett im National Army Museum in London, November 2011
Nick-D, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Foto: Marengos Skelett installiert in der Kuppel des Invalidendoms in Paris, Februar 2022
Roberd21, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons